Eine Übungsanleitung für einen heilsamen Umgang mit negativen Gefühlen

Marie ärgerte sich gestern fürchterlich über eine Kollegin. Wieder mal musste sie länger bleiben, weil die Kollegin nicht pünktlich zum Dienst erschien. Das ist jetzt schon das dritte Mal in diesem Monat. Marie hat ihre Kollegin wütend angeschnauzt und die Übergabe kurz und knappgehalten. Sie wollte nur noch nachhause – weg von der Kollegin, sonst hätte sie sich möglicherweise vergessen. Zuhause hat der Ärger sie weiterhin fest im Würgegriff. Immer wieder kreisten die Gedanken um das unmögliche Verhalten der Kollegin. Irgendwie kam sie aus der Ärger Spirale gar nicht mehr raus. Als am Abend Ihr Freund nachhause kam, hat Marie auch den noch angepöbelt, der hatte wieder mal seine schmutzige Wäsche sorgfältig im Schlafzimmer verteilt.

Und dann hat sie auch noch schlecht geschlafen. Marie konnte einfach nicht einschlafen, sie wälzte sich lange von einer Seite auf die andere. Im Kopf war sie mit ihrer Arbeit beschäftigt. Und genauso ist sie dann am nächsten Tag aufgewacht und in den neuen Tag gestartet.

Kennen Sie solche oder ähnliche Erfahrungen? Und jetzt frage ich Sie, wie gehen Sie mit Ihrem Ärger um?

Um eins gleich am Anfang klarzustellen, in diesem Artikel geht es nicht um das Verhalten der Kollegin. Es ist gar keine Frage, dass dieses Verhalten unangenehm ist und natürlich auch verändert werden soll. Es geht hier vielmehr um das Gefühl bei Marie und wie könnte sie mit diesem Ärger heilsamer umgehen.

Viele von uns neigen dazu, so unangenehme Gefühle wie z.B. Ärger aus dem Weg zu gehen oder möglichst schnell wieder loszuwerden.

Dieser Beitrag möchte Ihnen eine andere Möglichkeit des Umgangs mit unangenehmen Gefühlen aufzeigen. Ich will Ihnen so eine Art Rezept an die Hand geben, das seine Wurzeln in der Achtsamkeitspraxis hat.

Für diese Übung brauchen Sie so ca. 15 Minuten Zeit, einen ruhigen Ort, an dem Sie nicht gestört werden. Sie nehmen eine angenehme Haltung ein, dabei ist ein aufrechter Rücken hilfreich. Beobachten Sie für ein paar Augenblicke Ihren Atem: schnell oder langsam, tief oder flach.

  1. Schritt: Jetzt wenden Sie sich Ihrer Gefühlswelt zu. Nehmen wir mal an, sie spüren ganz viel Ärger. Dann fokussieren Sie diesen Ärger mal genauer. Sitzen Sie mit dem Ärger. Nehmen Sie wahr, wo im Körper spüren Sie diesen blöden Ärger. Es geht nicht darum, den Ärger schnellstmöglich loszuwerden – lassen sie den Ärger einfach da sein. Akzeptieren Sie Ihren Ärger, so wie er im Moment ist. Es kann sein, dass sich Erinnerungen oder Gedanken einstellen oder Ideen, wie Sie tun könnten. All das ist normal. In dem Moment, in dem Ihnen diese Gedanken bewusstwerden, wenden Sie sich wieder Ihrem Ärger zu. Dabei hilft der Atem, nehmen Sie wieder bewusst Ihren Atem wahr.
  1. Jetzt umarmen Sie Ihren Ärger. Heißen Sie Ihren Ärger willkommen. Sie können Ihren Ärger in den Arm nehmen wie eine Mutter ihr kleines Kind – wiegen Sie Ihren Ärger hin und her. Werden Sie sich jetzt bewusst, dass Gefühle vergänglich sind: Gefühle kommen und gehen wie Wellen am Strand. Beobachten Sie, ob sich Ihr Ärger verändert: leichter wird oder sogar verschwindet und vielleicht auch wiederkommt.
  1. Wenn Sie merken, dass sich die Wellen des Ärgers beruhigt haben, dann bleiben Sie noch in dem Prozess und überlegen jetzt: Wie wollen Sie auf Ihren Ärger reagieren? Wollen Sie es einfach dabei belassen? Oder wollen Sie eine Handlung ausführen. Sie könnten z.B. in ruhiger Verfassung der Kollegin erklären, dass Sie ihr Zuspätkommen nicht mehr hinnehmen und wenn es nicht aufhört zur Stationsleitung gehen. Vielleicht verstehen Sie jetzt Ihren Ärger besser und haben mehr Verständnis für sich. Auf jeden Fall wird eine Veränderung eintreten und meistens ist die Veränderung mit mehr Ruhe und Klarheit verbunden.

 

Meerbild

 

Das ist eine Übungsanleitung für einen heilsamen Umgang mit negativen Gefühlen. Machen Sie doch mal ein Experiment und probieren Sie diese drei Schritte aus. Meine Empfehlung: Fangen Sie mit kleineren, nicht so intensiven Gefühlen an. Sie können den Schwierigkeitsgrad dann steigern.

Nun wünsche ich Ihnen gute Erfahrungen dabei und wenn Sie Fragen haben, dann schreiben Sie Ihre Frage ins Kommentarfeld. Sie bekommen eine Antwort.

Für heute: Achten Sie gut auf sich!

Ihre Brigitte Hettenkofer